Auch in diesem Semester starten wir kritisch, mit den Einführungstagen in die Kritische Theorie!
Übersicht der Veranstaltungen:
- 16.04.| 18:00 Uhr | U2-205 | Totalität. Das Problem einer kritischen Theorie der Gesellschaft. | Alex Struwe
- 15.05. | 18:00 Uhr | Hörsaal 2 | Karl Marx und sein Projekt einer “Kritik der politischen Ökonomie” | Michael Heinrich
- 05.06. | 18:30 Uhr | U2-205 | Was heißt kritische Theorie (des Antisemitismus)? | Luise Henckel
- 13.06. | 18:00 Uhr | U2-205 | Benjamins Kritik der Geschichtskonzeption | Lea Fink
- 19.06. | 18:00 Uhr | U2-205 | Postkoloniale Kritik Ralf Rapior
- 27.06. | 18:00 Uhr | U2-205 | Materialistischer Feminismus | Franziska Haug
16.04.| 18:00 Uhr | U2-205 | Totalität. Das Problem einer kritischen Theorie der Gesellschaft. | Alex Struwe
Die Gesellschaft galt lange Zeit als dermaßen komplex, dass sie sich nicht auf einen einfachen Begriff bringen lässt. Und doch funktioniert sie noch als Ganze: als Herrschaftszusammenhang, als Kapitalismus, als verwaltete Welt, deren globale Krisen immer mehr darauf verweisen, dass doch alles mit allem zusammenhängt. Wie lässt sich dieser Widerspruch begreifen?
Mit dem Begriff der Totalität verbindet sich die Frage, ob und inwiefern sich ein gesellschaftlicher Gesamtzusammenhang bestimmen lässt. Der Vortrag entfaltet Totalität als ein Problem in der Geschichte der kritischen Gesellschaftstheorie und versucht eine aktuelle Bestimmung. Denn ohne einen Begriff der Totalität gibt es auch keinen Einspruch gegen die herrschenden Verhältnisse.
15.05. | 18:00 Uhr | Hörsaal 2 | Karl Marx und sein Projekt einer “Kritik der politischen Ökonomie” | Michael Heinrich
Lange Zeit wurde Karl Marx in Deutschland als wissenschaftlich irrelevant betrachtet. Seit einigen Jahren steht er im Klassikerregal: Ein großer Denker, der für die Probleme der Gegenwart aber eher irrelevant sei, der Kapitalismus habe sich ganz anders entwickelt, als von Marx vorhergesagt. Doch hat Marx tatsächlich so viele und dann auch noch falsche Vorhersagen gemacht? Der Vortrag will deutlich machen, dass die Marxschen Analysen für das Verständnis gegenwärtiger Verhältnisse noch immer relevant sind, da Marx die kapitalistische Ökonomie auf einer erheblich grundlegenderen Ebene untersucht, als die modernen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften dies tun. Es soll aber auch deutlich werden, wie unabgeschlossen das Marxsche Projekt einer „Kritik der politischen Ökonomie“ geblieben ist. Es handelt sich nicht, wie lange Zeit behauptet wurde, um ein (fast) fertiges System, sondern um ein fragmentarisch ausgeführtes Forschungsprogramm, das sich erst jetzt, mit den in den letzten Jahren in der Marx Engels Gesamtausgabe (MEGA) veröffentlichten Texten überblicken lässt.
05.06. | 18:30 Uhr | U2-205 | Was heißt kritische Theorie (des Antisemitismus)? | Luise Henckel
Ein vielzitierter – aber in der Gesamtausgabe an der meistens angegebenen Stelle nicht ausfindig zu machender – Ausspruch Max Horkheimers lautet (übersetzt): „So wahr es ist, dass man den Antisemitismus nur aus unserer Gesellschaft heraus verstehen kann, so wahr scheint mir auch zu werden, dass nun die Gesellschaft angemessen nur durch den Antisemitismus verstanden werden kann.«
Die 1941 angeblich in einem Brief an den englischen Ökonomen und Philosophen Harold Laski verfasste Stelle ist ein kleines Mysterium der Horkheimer-Forschung aber auch ein hervorragendes Beispiel für Sätze, die wenn sie nicht wirklich geschrieben wurden, genauso gut hätten geschrieben werden können. So beschreibt das Zitat die scheinbar zunehmend unersetzliche Verbindung kritischer Gesellschaftsbetrachtung mit der Reflexion auf die Reproduktionsbedingungen von Antisemitismus. Dabei beleuchtet es eine wesentliche Erkenntnis der ersten Generation kritischer Theoretiker:innen – das Verständnis von der Gesellschaft als historisch gewordener, in sich vermittelter und undurchschauter Totalität. Der Vortrag bietet eine Einführung in solchermaßen erst einmal Fragen aufwerfende Grundbegriffe und -überlegungen der frühen kritischen Theorie. Diese wird dabei als Bearbeitungszusammenhang wesentlicher Erfahrungen der ersten Jahrzehnte des frühen 20. Jahrhunderts gefasst: Die sich zunehmend verdunkelnde Aussicht, die gegebenen gesellschaftlichen Verhältnisse in eine vernünftige (kommunistische) Einrichtung zu überführen und das Umschlagen der gesellschaftlichen Dynamiken in faschistische Kollektivierung und antisemitische Vernichtungsabsicht.
13.06. | 18:00 Uhr | U2-205 | Benjamins Kritik der Geschichtskonzeption | Lea Fink
Geschichtsschreibung zwischen „homogene[r] und leere[r] Zeit“ und „raumgewordene[r] Vergangenheit“
Walter Benjamins Kritik an der Geschichtskonzeption einer linear ablaufenden Zeit und einer teleologischen Ausrichtung auf Fortschritt stellt in Frage, wie die bürgerliche Gesellschaft, aber auch der Marxismus, Kausalität und Sinn in der Geschichtsschreibung unterstellen. Lea Fink wird die Thesen „Über den Begriff der Geschichte“ historisch (Benjamins Flucht, die Pariser Exilerfahrung, den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt) und werkgenetisch (Passagen-Komplex) einbetten. Mit dem dialektischen Bild der Stadt und architektonischen Metaphern bietet Benjamin einen Ansatz, „gesteigerte Anschaulichkeit mit der Durchführung der marxistischen Methode zu verbinden“ (Pasagen-Werk, Bd. 1, S. 575). Dies werden wir anhand von Benjamins Stadtbeobachtungen von Berlin und der Pariser Fotografie Germaine Krulls an konkreten Gegenständen/Orten nachvollziehen.
19.06. | 18:00 Uhr | U2-205 | Postkoloniale Kritik Ralf Rapior
Die Länder des globalen Nordens beschreiben sich gern als Erfinderinnen der Aufklärung, der Menschenrechte, der Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit, der Wissenschaften und Künste. Doch aus südlicher Sicht sieht der Norden anders aus. Hier erscheinen die großen Werte und Worte der europäischen Aufklärung oftmals als Deckmantel für den westlichen Imperialismus, die westliche Weltbeherrschung und Ausbeutung von Mensch und Natur. In meinem Vortrag gehe ich ausgehend von südlichen Klassikern wie Césaire, Fanon und Spivak auf die Frage ein, welches kritische Potential im anti-, post- und dekolonialen Denken steckt und wie sich unsere doch meist eurozentrisch beschränkte Weltsicht dekolonisieren lässt.Aus anti-imperialer Sicht ist die westliche Zivilisation und Moderne, ihre Politik, ihr Kapitalismus und ihre Wissenschaften, von Anfang an und bis heute eng mit Kolonialismus und Rassismus verknüpft. Anti-imperiales Denken heißt daher auch Unterdrückungen durch Kapitalismus, Rassismus und Patriarchalismus global und intersektional zu kritisieren.
Zum Schluss lade ich dazu ein, darüber zu diskutieren, wie wir anti-imperiale Kritik und Dekolonisierung in unsere wissenschaftliche und politische Praxis übersetzen können.
Alle sind willkommen!
27.06. | 18:00 Uhr | U2-205 | Materialistischer Feminismus | Franziska Haug
In linker Theorie und Praxis standen sich lange Zeit Feminismus und
Materialismus gegenüber. In Debatten um den sogenannten Haupt- und Nebenwiderspruch konkurrierten Fragen der Geschlechtergerechtigkeit allzu oft mit den Kämpfen um soziale Gerechtigkeit. Das ist insofern erstaunlich, als dass es schon lange vor dem Aufkommen intersektionaler Theorie Verbindungslinien zwischen Feminismus und Materialismus gab; so zum Beispiel im Sozialistischen Feminismus bei bspw. Alexandra Kollontai oder im Black Feminism. Der Vortrag wird diese Linien nachvollziehen und
einen Überblick über Theorien und Bewegungen des Feministischen
Materialismus/Materialistischen Feminismus geben.